Im Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU wird die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung (Entsandte oder Selbstständige) für bis zu 90 effektive Arbeitstage pro Kalenderjahr liberalisiert. Es kommt ein elektronisches Meldeverfahren zur Anwendung. Die 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr beziehen sich sowohl auf das Entsendeunternehmen als auch auf die entsandte Person.

Die Erbringung von Dienstleistungen aus einem EU/EFTA-Staat in die Schweiz für eine Dauer von mehr als 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr wird nicht durch das Freizügigkeitsabkommen geregelt. Die Zulassung richtet sich nach dem Ausländergesetz und der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit. Die Arbeitsaufnahme ist bewilligungspflichtig. Sie unterliegt einer vorgängigen arbeitsmarktlichen Prüfung sowie gegebenenfalls der Kontingentierung. Geprüft werden die üblichen Voraussetzungen wie (i) gesamtwirtschaftliches Interesse der Schweiz, (ii) persönliche Voraussetzungen des Arbeitsnehmers und (iii) Arbeits- und Lohnbedingungen.

Was sind die Arbeitgeberpflichten?

Zum Schutz der Erwerbstätigen vor dem Risiko der missbräuchlichen Unterschreitung der Arbeits- und Lohnbedingungen hat die Schweiz flankierende Massnahmen eingeführt, die hauptsächlich im Entsendegesetz sowie in der Entsendeverordnung vorgesehen sind. Diese Massnahmen bringen verschiedene Pflichten für den ausländischen Arbeitgeber mit sich, die mit entsprechenden Sanktionen verbunden sind:

  • Meldepflicht: Entsandte Arbeitnehmer müssen für die Erbringung von Dienstleistungen bei mehr als acht Tagen in der Schweiz gemeldet werden. Für gewisse Sektoren ist aber die Meldung für die Erbringung von Dienstleistungen ab dem ersten Tag notwendig. Die Meldung muss mindestens acht Tage vor dem ersten Arbeitstag erfolgen. Derzeit wird im Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU eine Straffung des Verfahrens geprüft, mit dem Ziel, den gleichen Lohnschutz mit einer kürzeren Frist zu gewährleisten.
  • Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen: Der Arbeitgeber muss den entsandten Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen vorgeschrieben sind. Die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen müssen für die ganze Dauer des Einsatzes eingehalten werden (weitere Informationen unter www.entsendung.admin.ch, einer Informationsplattform zum Thema Arbeits- und Lohnbedingungen in der Schweiz und in den verschiedenen Kantonen).
  • Garantie der Entsendungskosten und der Unterkunft: Der Arbeitgeber muss zusätzlich zum Lohn den entsandten Arbeitnehmern den Ersatz für die tatsächlich getätigten Aufwendungen für Reise, Verpflegung und Unterkunft garantieren.
  • Nachweis der Selbständigkeit: Für den selbständig erwerbstätigen ausländischen Dienstleistungserbringer.

Die Entsendung aus der EU/EFTA bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr unterliegt keiner vorgängigen arbeitsmarktlichen Kontrolle. Deshalb kontrollieren die zuständigen kantonalen Behörden die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nachträglich direkt beim Arbeitgeber bzw. beim Schweizer Einsatzbetrieb. Dies geschieht durch sporadische Kontrollen (sogenannte «Spot-checks»). In der Regel wird in solchen Fällen der Arbeitgeber gebeten, sämtliche Informationen betreffend Entsendung von Arbeitnehmern in die Schweiz, zu liefern.

Welche Meldeunterlagen müssen vorgelegt werden?

In der Regel verlangen die Kontrollorgane die Zustellung folgender Unterlagen:

  • Meldebestätigung
  • Arbeitszeitaufzeichnungen mit der geleisteten täglichen und wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit je entsandten Arbeitnehmer während des Einsatzes in der Schweiz (unter Ausweis der Ferien- und Feiertage sowie der Pausen und Ruhetage)
  • Lohnliste der entsandten Arbeitnehmer mit Angaben über Funktion und Lohneinstufung
  • Lohnabrechnungen und Lohnzahlungsbelege der entsandten Arbeitnehmer während des Einsatzes in der Schweiz
  • Kopien der Arbeitsverträge
  • Nachweis über Zahlungen von Ferien- und Feiertagsentschädigung sowie des 13. Monatslohns
  • Allfälliger Hinweis auf einen GAV
  • Belege über Unterkunft und Spesen

Welche Verwaltungssanktionen können bei Verstößen verhängt werden?

Die zuständigen Behörden können bei Nichteinhalten der Arbeitgeberpflichten folgende Verwaltungssanktionen gegen das Entsendeunternehmen aussprechen:

  • Verstoß gegen die Meldepflicht (z. B. verspätete Meldung vor Arbeitsbeginn, verspätete Meldung nach Arbeitsbeginn, keine Meldung): geldwerte Sanktion bis CHF 5’000;
  • Verletzung der Dokumentationspflicht bei selbständigen Erwerbstätigen: geldwerte Sanktion bis CHF 5’000;
  • Verstoß gegen die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen (z.B. Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten, nicht bewilligte Sonntagsarbeit): geldwerte Sanktion bis CHF 30’000 oder Dienstleistungssperre von ein bis fünf Jahren. Bei besonders schwerwiegendem Verstöße gegen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen werden die geldwerte Sanktion und die Dienstleistungssperre kumulativ ausgesprochen;
  • Verletzung der Unterkunftsregelung: geldwerte Sanktion bis CHF 5’000;
  • Im Fall einer Verletzung der Strafbestimmungen oder im Fall einer Nichtbezahlung des Betrags der rechtskräftigen Verwaltungssanktion: Dienstleistungssperre von ein bis fünf Jahren;
  • Verstoß gegen Mindestlöhne in einem Normalarbeitsvertrag: geldwerte Sanktion bis CHF 30’000.

Die Verstöße, welche mit einer Dienstleistungssperre sanktioniert werden, werden auf der öffentlichen RESA-Liste im Internet publiziert.

Unter Umständen können sich Schweizer Einsatzbetriebe auch strafbar machen, wenn sie Dienstleistungen von entsandten Arbeitnehmern annehmen, die über keine Bewilligung verfügen.

Welche Strafbestimmungen gelten bei Verstößen?

Als strafrechtliche Sanktion für Verstöße gegen das Entsendegesetz ist eine Buße vorgesehen. Gemäss Entsendegesetz wird mit einer Buße bis CHF 40’000 bestraft, wer:

  • In Verletzung der Auskunftspflicht wissentlich falsche Auskünfte erteilt oder die Auskunft verweigert;
  • Sich der Kontrolle der zuständigen Behörde widersetzt oder in irgendeiner Weise die Kontrolle verunmöglicht
  • Einer rechtskräftigen Dienstleistungssperre nicht Folge leistet;
  • Arbeitnehmer in der Schweiz anstellt und systematisch und in gewinnsüchtiger Absicht gegen Bestimmungen über den Mindestlohn, die in einem Normalarbeitsvertrag vorgeschrieben sind, verstößt;
  • Darüber hinaus kann eine Buße bis CHF 1 Mio. für systematische Verstöße gegen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen ausgesprochen werden.

Renate Bigler, Counsel, lic. iur., M.B.L.-HSG