Inzwischen ist das Arbeitsmodell mit dem flexiblen Arbeitsort kaum mehr aus der modernen Arbeitswelt wegzudenken. Insbesondere bei einem Auslandsbezug ist jedoch vorab sorgfältig zu prüfen, welche rechtlichen Auswirkungen die Verlegung des Arbeitsortes haben kann. Diese sind nachfolgend aus einem allgemeinen Blickwinkel zu beleuchten. Die Ausführungen in diesem Blogartikel beschränken sich grundsätzlich auf unselbständige Erwerbstätigkeiten.
1. Arbeitsrecht
Ein Wechsel des Arbeitsortes vom bisherigen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ins Homeoffice im In- oder Ausland stellt grundsätzlich eine Vertragsänderung dar, die entsprechend in der erforderlichen Form zwischen den Parteien zu vereinbaren ist. Insbesondere wenn Arbeitnehmenden zukünftig kein eigener Arbeitsplatz mehr im Büro des Arbeitgebers zur Verfügung steht, sollte auch eine Regelung zur Auslagenentschädigung getroffen werden. Möchte ein Arbeitgeber ohne Einverständnis eines Arbeitnehmenden einseitig einen Arbeitsortwechsel ins Homeoffice anordnen und durchsetzen, stellt dies grundsätzlich eine Änderungskündigung dar.
Bei der Umsetzung der Vertragsänderung ist zudem darauf zu achten, dass mittels schriftlicher Rechtswahlklausel soweit möglich die Unterstellung unter Schweizer Recht sichergestellt wird. Möglicherweise begründet die Tätigkeit an einem anderen Ort allerdings einen zusätzlichen Gerichtsstand des Arbeitnehmers, auf welchen nicht im Voraus vertraglich verzichtet werden kann. Hinzukommt, dass unter Umständen lokales materielles Recht zur Anwendung gelangt: Verschiedene Länder kennen gestützt auf den Arbeitnehmerschutzgedanken zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen, welche automatisch zur Anwendung gelangen, sobald sich der faktische Arbeitsort im jeweiligen Land befindet.
2. Information und Anhörung
Ist eine Mehrzahl von Mitarbeitenden von einem Wechsel des Arbeitsplatzes betroffen, ist zu prüfen, ob die Arbeitnehmervertretung, oder falls es keine solche gibt, alle Mitarbeitenden, rechtzeitig vor Inkrafttreten der Vertragsänderung zu informieren und anzuhören sind.
3. Sozialversicherungsrecht
Ein Arbeitsverhältnis mit Auslandbezug wirft stets die Frage der zuständigen Sozialversicherungsunterstellung auf, die sich auch nachträglich ändern kann.
Die Schweiz hat als Teil der Bilateralen Verträge im Rahmen der Personenfreizügigkeit ein Abkommen mit der EU über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme abgeschlossen. Mit gewissen Drittstaaten hat die Schweiz ein bilaterales Abkommen geschlossen, während im Verhältnis zu diversen Ländern kein solches Abkommen besteht. Besonders in diesen Konstellationen ist zur Bestimmung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts stets auch das lokale ausländische Recht in die Prüfung miteinzubeziehen.
Im Verhältnis zur EU gilt grundsätzlich, dass Arbeitnehmende in ihrem Wohnsitzstaat sozialversichert sind, wenn sie dort gewöhnlich mindestens 25% ihrer Gesamttätigkeit verrichten. Da jedoch Ausnahmen möglich sind, muss das anwendbare Sozialversicherungsrecht im Vorfeld genau abgeklärt und bei Änderungen der Umstände regelmässig überprüft werden.
4. Aufenthaltsrecht
Bei einem Auslandaufenthalt mit Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist stets das Erfordernis einer lokalen Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu prüfen. Es ist ratsam, dies selbst bei bloss kurzzeitigen Auslandtätigkeiten genügend im Voraus abzuklären und die Antragsstellung entsprechend rechtzeitig zu planen.
5. Versicherungsdeckung
Bevor Arbeitnehmenden erlaubt wird, ihre Arbeit an einem anderen Ort als in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers zu verrichten, ist es ratsam, die Versicherungsdeckung dahingehend zu prüfen. Es ist denkbar, dass insbesondere die Deckung der Unfallversicherung sich nicht auf andere Arbeitsorte als den Sitz des Arbeitgebers erstreckt. Die Prüfung, ob die Versicherungspolice einer Anpassung bedarf, erscheint umso mehr geboten, wenn eine zeitweise Verlagerung des Arbeitsortes ins Ausland geplant ist.
6. Einkommenssteuerpflicht
Ob eine bloss kurzzeitige Ausübung einer Tätigkeit im Ausland zu einer zusätzlichen Einkommenssteuerpflicht eines Arbeitnehmenden am ausländischen Ort der Erwerbstätigkeit führt, ist basierend auf den gesetzlichen Vorgaben des entsprechenden Landes zu prüfen. Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person verbleibt in der Regel am Wohnsitz dieser Person gemäss Definition des innerstaatlichen Rechts. Für die Schweiz ist dies der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts, mithin der persönliche Lebensmittelpunkt gestützt auf die tatsächlichen Umstände. Am steuerlichen Wohnsitz besteht grundsätzlich eine unbeschränkte Steuerpflicht.
Bei einem regelmässigen Aufenthalt im Ausland kann sich auch ohne Wechsel des steuerlichen Wohnsitzes eine beschränkte Steuerpflicht am Ort der Tätigkeitsausübung ergeben. In der Schweiz beginnt die Steuerpflicht mit dem Tag, an dem der Steuerpflichtige Aufenthalt nimmt, respektive sich regelmässig zur Ausübung der Erwerbstätigkeit in einem Land aufhält. Für Wochenaufenthalter und Grenzgänger gelten indessen regelmässig spezielle Bestimmungen. Bei einem Arbeitsortswechsel können sich zudem Auswirkungen in Bezug auf den Quellensteuerabzug ergeben.
Es empfiehlt sich als Arbeitnehmender abzuklären, welche Auswirkungen die freiwillige Verlegung des Arbeitsortes auf die eigene Steuerbelastung haben wird. Die Ausnahmebestimmungen, die auf Grund von staatlichen sanitären Massnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie eingeführt wurden, finden nach der Aufhebung der Pandemiemassnahmen in der Regel keine Anwendung mehr.
7. Betriebsstätte
Verrichten Arbeitnehmende ihre Arbeit an einem anderen Ort als dem Betrieb des Arbeitgebers, ist zu prüfen, inwiefern dies auf Unternehmensebene zu anderen oder zusätzlichen steuerlichen Anknüpfungspunkten führt. Je nach Dauer, Regelmässigkeit sowie Senioritätslevel des Mitarbeitenden und der Möglichkeit, die Unternehmung nach aussen hinzuvertreten respektive die für die Gewinnerzielung der Gesellschaft wesentlichen Entscheide zu treffen, bspw. durch das Recht, Verträge abzuschliessen, besteht das Risiko, dass infolge einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit eine Betriebsstätte des Arbeitgebers am ausländischen Arbeitsort des Mitarbeitenden begründet wird.
8. Datenschutz und Datensicherheit
Bei Verlagerung des Arbeitsplatzes weg von den Räumlichkeiten des Arbeitgebers sind verschiedene datenschutzrechtliche Implikationen zu berücksichtigen. Nebst technischen Sicherheitsmassnahmen, um Unternehmens- und Kundendaten vor unberechtigtem Zugriff durch Cyberattacken zu schützen, sind auch organisatorische Massnahmen notwendig. Aus Arbeitgebersicht ist insbesondere sicherzustellen, dass die Arbeitnehmenden ungestört arbeiten und nicht Familienmitglieder oder andere Drittpersonen geschäftliche Telefonate mithören oder Dokumente einsehen können. Ebenso ist nicht ausser Acht zu lassen, dass bei Arbeiten auf Reisen möglicherweise Drittpersonen den Laptopbildschirm des Arbeitnehmenden einsehen können oder unsichere Wifi-Verbindungen genutzt werden, wenn nicht die entsprechenden Schutzmassnahmen getroffen und Mitarbeitende sorgfältig instruiert werden.
Dabei sind selbstverständlich sämtliche geltende lokale Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Bei einer Arbeitstätigkeit im Ausland mit der Möglichkeit des Zugriffs auf den Server des Arbeitgebers ist von einer Datenübermittlung ins Ausland auszugehen und es sind die entsprechenden Grundsätze des Datenschutzgesetzes einzuhalten, einschliesslich der Gewährleistung der Angemessenheit des Schutzes im Zielland.
Patricia Meier