COVID-19 und Grenzgänger

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat die Schweiz mit ihren Nachbarländern Vereinbarungen im Bereich des Sozialversicherungs- und des Steuerrechts für Grenzgänger getroffen. Trotz der Öffnung der Grenzen und der zwischenzeitlichen Lockerung der angeordneten Massnahmen bleiben diese Sonderregelungen in unterschiedlicher Art und Weise in Kraft.

Sonderregelung hinsichtlich Sozialversicherungsunterstellung

Personen, die für die Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit über die Grenze in einen anderen Staat pendeln, werden als Grenzgänger bezeichnet. Im Verhältnis zwischen der Schweiz und den EU- sowie EFTA-Staaten dürfen Grenzgänger regelmässig nur weniger als 25% ihrer physischen unselbstständigen Tätigkeiten von ihrem Wohnort (Wohnsitzstaat) aus verrichten, damit sie nicht dort für alle Tätigkeiten sozialversicherungspflichtig werden. Sondersituationen, beispielsweise mehrere Arbeitgeber, müssen speziell betrachtet werden. Hier müssen die Arbeitgebenden weitere Bestimmungen im Detail hinzuziehen und prüfen.

Die Schweiz hat nun nebst mit anderen Nachbarländern, insbesondere mit Deutschland und Österreich, bilaterale Abkommen geschlossen, wonach sich die Versicherungsunterstellung nicht aufgrund der COVID-19-Einschränkungen ändern soll. Betroffen davon sind insbesondere Grenzgänger im Homeoffice.

Für Grenzgänger, die vor der Anordnung zum Homeoffice in der Schweiz gearbeitet haben, sind die üblichen Bestimmungen zur Sozialversicherungsunterstellung während der Dauer der COVID-19 Ausnahmesituation nicht anwendbar. Mit anderen Worten: Grenzgänger, die zuvor in der Schweiz arbeiteten, nun aber Homeoffice angeordnet erhalten haben, bleiben in der Schweiz sozialversicherungsunterstellt. Eine Entsendebescheinigung (A1) müssen sie nicht beibringen.

In Bezug auf Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien wurde die flexible Anwendung der Unterstellungsregeln zunächst bis zum 31. Dezember 2020 vereinbart, inzwischen aber bis zum 30. Juni 2021 verlängert. In den Beziehungen zu den anderen Staaten gilt die flexible Anwendung aktuell bis Ende 2020, sofern nicht eine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde.

Auswirkungen auf die Steuerpflicht

Ausländische Arbeitnehmende werden für die in der Schweiz erbrachte Arbeitsleistung in der Schweiz am Arbeitsort steuerpflichtig. Bei diesen international ansässigen Arbeitnehmenden stellen sich Fragen hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbseinkommens aufgrund der fehlenden physischen Präsenz in der Schweiz infolge der Arbeit im Homeoffice.

Im Steuerrecht wird zwischen Grenzgängern und internationalen Wochenaufenthaltern unterschieden. Grenzgänger sind Arbeitnehmende, die in der Schweiz arbeiten und regelmässig, i.d.R. täglich, an ihren ausländischen Wohnsitz zurückkehren. Internationale Wochenaufenthalter sind Arbeitnehmende, die in der Schweiz arbeiten, ihren Lebensmittelpunkt aber weiterhin im Ausland haben und denen keine tägliche Rückkehr an ihren Wohnsitz im Ausland zugemutet werden kann.

Die Schweiz hat mit einer Vielzahl von Ländern, unter anderem auch Deutschland und Österreich Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, welche die Besteuerung (unter normalen Umständen) regeln. Aufgrund der COVID-19- Pandemie und der damit fehlenden Präsenz der Arbeitnehmenden in der Schweiz hat die Schweiz mit Deutschland, Frankreich und Italien Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen.

Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland

Das Einkommen der Grenzgänger aus der Erwerbstätigkeit in der Schweiz kann in Deutschland besteuert werden. Zum Ausgleich kann die Schweiz eine begrenzte Quellensteuer bis zu 4.5% erheben, welche in Deutschland angerechnet wird. In dieser Konstellation ändert sich für Arbeitnehmende, die infolge COVID-19 im Homeoffice in Deutschland arbeiten grundsätzlich nichts an der Höhe ihrer gesamten Steuerbelastung. Sie können aber ihren Grenzgängerstatus verlieren. Hingegen hat die Schweiz, wenn die Grenzgänger nicht mehr physisch im Inland arbeiten, grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erhebung der Quellensteuer.

Auf das Einkommen der internationalen Wochenaufenthalter erhebt nur die Schweiz als Arbeitsortstaat eine Quellensteuer. Deutschland nimmt dabei die Einkünfte aus der in der Schweiz geleisteten Arbeitstätigkeit von der Besteuerung aus (unter Progressionsvorbehalt). Falls die Arbeit aufgrund der Anordnung von Homeoffice in Deutschland verrichtet wird, würde laut dem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen das Erwerbseinkommen nur in Deutschland besteuert werden. Dies kann einen beachtlichen Unterschied der gesamten Steuerbelastung für die Arbeitnehmenden bedeuten. Ferner verliert die Schweiz auch in diesem Fall das Recht auf die Besteuerung der Erwerbseinkünfte an der Quelle. In der Konsultationsvereinbarung vom 11. Juni 2020 haben die Schweiz und Deutschland vereinbart, dass die aktuelle Ausnahmesituation die bisher bestehenden Besteuerungsvorgaben nicht beeinflussen soll. Die Arbeitstage im Homeoffice gelten als Arbeitstage im Arbeitsortstaat (Schweiz). Sie bleiben der Schweizer Besteuerung unterstellt, sofern die Arbeitstätigkeit nur aufgrund der COVID-19-Massnahmen nicht in der Schweiz ausgeübt wurde. Ferner soll die Grenzgängereigenschaft nicht verloren gehen. Diese Vereinbarung kann von beiden Seiten gekündigt werden – was bisher nicht der Fall war.

Verhältnis zwischen der Schweiz und Österreich

Sowohl bei den Grenzgängern als auch bei den internationalen Wochenaufenthaltern wird auf dem Erwerbseinkommen in der Schweiz die Quellensteuer erhoben. Österreich besteuert das in der Schweiz erwirtschaftete Einkommen, wobei die Schweizer Quellensteuer angerechnet wird. Als Fiskalausgleich leistet die Schweiz für die in Österreich ansässigen Grenzgänger an das Bundesministerium für Finanzen jährlich eine Vergütung in der Höhe von 12.5% der schweizerischen Steuereinnahmen aus der unselbständigen Erwerbstätigkeit. Für Grenzgänger und für internationale Wochenaufenthalter ändert sich durch das Homeoffice hinsichtlich der gesamten Steuerbelastung nichts, weil das Einkommen in jedem Fall der österreichischen Besteuerung unterliegt. Jedoch kann die Eigenschaft als Grenzgänger verloren gehen. Die Schweiz kann ferner grundsätzlich keine Quellensteuer mehr erheben. Die Schweiz hat mit Österreich keine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen.

Keine Änderungen aus Sicht der Arbeitgeber

Aus Arbeitgebersicht ändert sich aktuell nichts. Unternehmen, die ausländische Arbeitnehmende eingestellt haben, haben unverändert die Quellensteuer abzurechnen. Infolge der Empfehlungen der EU zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie begründet ein im Ausland ansässiger Arbeitnehmer eines Schweizer Unternehmens während seiner Tätigkeit im Homeoffice keine Betriebsstätte, solange die Arbeit im Homeoffice nicht zum Regelfall wird. Gemäss der EU ist die Tätigkeit im Homeoffice angesichts der aussergewöhnlichen Natur der COVID-19-Krise auf höhere Gewalt zurückzuführen. Insbesondere weil es an einem ausreichenden Mass an Beständigkeit sowie an einer ausreichenden Verfügungsmacht des Unternehmens über das Homeoffice fehlt. Zudem stellt ein Arbeitgeber den Arbeitnehmenden unter gewöhnlichen Umständen ein Büro zur Verfügung, das nur aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation nicht genutzt werden kann.

Aktuell müssen Arbeitgeber somit keine Vorkehrungen treffen. Die zukünftige Entwicklung der Situation muss weiterhin beobachtet werden, insbesondere ab dem Inkrafttreten der Quellensteuerrevision anfangs 2021. Auf diese Revision wird vorliegend nicht eingegangen.

Fazit: Möglicherweise Verlust des Grenzgängerstatus

Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben zu vermehrter Homeoffice Tätigkeit geführt. Dies hat Auswirkungen auf die Qualifikation als Grenzgänger und kann für die Arbeitnehmenden eine veränderte Steuerbelastung bedeuten. Um dem entgegenzuwirken, hat die Schweiz insbesondere mit Deutschland eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen. Dadurch verlieren die Arbeitnehmenden bei COVID-19-bedingtem Homeoffice ihre Grenzgängereigenschaft nicht und die Arbeitstage im Homeoffice gelten als Arbeitstage im Arbeitsortstaat (Schweiz). Da die Vereinbarungen unterschiedlich lange in Kraft bleiben, empfiehlt sich eine regelmässige Überprüfung jedes Einzelfalls. Ferner hat dies Auswirkungen auf die Erhebung der Quellensteuer und die Ausgleichszahlungsmechanismen. Insbesondere ist ab dem 1. Januar 2021 das Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung in der Schweiz sowie die entsprechenden Verfügungen zu beachten.

Aus der Sicht von Schweizer Unternehmen ergeben sich aktuell bezüglich Quellensteuerabrechnungen keine Auswirkungen. Auch das Risiko der Begründung einer ausländischen Betriebsstätte des in unserem Fall Schweizer Unternehmens, wurde von der EU in den Kommentierungen der Konsequenzen der COVID-19-Auswirkungen eingeschränkt. Sollte die Homeoffice-Situation jedoch ohne zwingenden Grund weitergeführt werden, muss auch in Zukunft wieder jeder Einzellfall separat beurteilt werden.