Bislang konnten entsandte Arbeitnehmer, die im EU-/EWR-Ausland tätig sind, aber in Deutschland wohnen, Beiträge zur (deutschen) gesetzlichen Sozialversicherung nicht bzw. nicht in voller Höhe als Sonderausgaben in ihrer Einkommensteuererklärung geltend machen. Dies resultiert aus § 10 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 EStG, nachdem Vorsorgeaufwendungen lediglich dann als Sonderausgaben abgezogen werden können, wenn sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Dementsprechend nehmen die meisten Gehaltsabrechnungsprogramme eine entsprechende Aufteilung vor, wenn ein Arbeitnehmer „nach DBA steuerfreien Arbeitslohn“ bezieht.

Nachteile für entsandte Arbeitnehmer

Für die betroffenen Arbeitnehmer führte dies zu einem nicht unerheblichen Steuernachteil, da bei überwiegender Tätigkeit im Ausland die abzugsfähigen Sozialversicherungsbeiträge auf ein Minimum bzw. sogar auf null reduziert wurden. Unter Umständen sah der jeweilige ausländische Staat, der den Arbeitslohn des Arbeitnehmers besteuert, darüber hinaus keine entsprechende Abzugsmöglichkeit vor, so dass sich letztlich in keinem Staat eine solche Option ergab.

EuGH-Urteil und BMF-Schreiben

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22. Juni 2017 (C-20/16, Bechtel) nunmehr entschieden, dass das Abzugsverbot für ausländische Sozialversicherungsbeiträge europarechtswidrig ist, da es gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstößt. Mit dem Schreiben vom 11.12.2017 knüpft das BMF an das o. g. EuGH-Urteil an und leitet entsprechende Regelungen ab, die bis zur gesetzlichen Anpassung des Sonderausgabenabzugsverbots gelten.

Vorsorgeaufwendungen sind laut BMF-Schreiben als Sonderausgaben zu berücksichtigen bei Arbeitnehmern, die in Deutschland wohnen und in einem EU-/EWR-Staat tätig sind sowie deren Arbeitslohn daher nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der inländischen Besteuerung freigestellt ist, wenn

  • die Vorsorgebeiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem EU-Mitgliedsstaat oder in einem EWR-Vertragsstaat erzielten Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit stehen,
  • diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei sind,
  • der Tätigkeitsstaat keinerlei Abzug der mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Beiträge im Besteuerungsverfahren zulässt und
  • auch das Doppelbesteuerungsabkommen die Berücksichtigung der persönlichen Abzüge nicht dem Tätigkeitsstaat zuweist (z.B. im Art. 21 Abs. 6 DBA Frankreich sowie Art. 24 Abs. 6 DBA Niederlande oder Art. 15 Abs. 7 DBA Österreich).

Handlungsempfehlung

Die Regelungen des BMF-Schreibens greifen in allen noch offenen Fällen, so dass betroffene Arbeitnehmer unbedingt prüfen sollten, ob bereits erlassene Einkommensteuerbescheide diesbezüglich noch mit einem Einspruch angegriffen werden können. Da in der Lohnsteuerbescheinigung 2017 die auf steuerfreien DBA-Lohn entfallenden Vorsorgeaufwendungen nicht zu bescheinigen waren, sollten Arbeitgeber ihren entsprechenden Mitarbeitern ein passendes Hinweisschreiben mit den ganzjährig entrichteten Vorsorgeaufwendungen zur Verfügung stellen. So lässt sich sicherstellen, dass die Mitarbeiter die vollen Beiträge im Rahmen ihrer persönlichen Einkommensteuerveranlagung angeben und den Sonderausgabenabzug in kompletter Höhe erreichen.

In der Schweiz tätige Arbeitnehmer

Da die Schweizerische Eidgenossenschaft im Rahmen des Art. 45 AEUV und aufgrund des „Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 2. September 2001“ einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union gleichzustellen ist, erstrecken sich die o. g. Regelungen zum Sonderausgabenabzug – entgegen der Einschränkung im BMF-Schreiben auf EU-/EWR Staaten – auch auf die in der Schweiz tätigen Arbeitnehmer.

Ra/StB Frank Dissen
WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH

Frank Dissen
Partner – Head of Global Expatriate Services Germany
Frank.Dissen@wts.de