Welches Arbeitsvertragsrecht während einer Auslandsentsendung gilt, bestimmt sich nach den Artikeln 8 und 9 der Verordnung VO (EG) Nr. 593/2008 („Rom I-VO„).

Grundsätzlich können Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht vereinbaren. Die Parteien können daher auch bei einer Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland eine Rechtswahl treffen und im Entsendevertrag vereinbaren, dass das Recht des Heimatstaates weiterhin anwendbar sein soll. Die Rechtswahl ist grundsätzlich wirksam, darf aber nicht dazu führen, dass einem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, den er hätte, hätten die Parteien im Entsendevertrag keine Rechtswahl getroffen. Insofern gilt das Günstigkeitsprinzip.

Mangels einer Rechtswahl anwendbares Recht , Art 8 Rom I -VO
Haben die Parteien im Entsendevertrag keine Rechtswahl getroffen, bemisst sich das anzuwendende Recht grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Arbeitsort, also dem Ort, an dem ein Arbeitnehmer in der Regel seine Arbeit verrichtet. Allerdings ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I, dass sich der gewöhnliche Arbeitsort nicht ändert, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit nur vorrübergehend in einem anderen Staat verrichtet. Das Merkmal „vorübergehend“ ist dann erfüllt, wenn vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach dem Auslandseinsatz seine Arbeit im Inland wieder aufnimmt. Dies ist bei Entsendungen regelmäßig der Fall, weshalb sich das anwendbare Recht bei Entsendungen in der Regel nach dem Recht des Heimatstaates richtet.

Nur ausnahmsweise, wenn das anzuwendende Recht nicht bestimmt werden kann, weil die Arbeitsleistung üblicherweise in mehreren Staaten erbracht wird und daher kein gewöhnlicher Arbeitsort besteht, zB bei Piloten und Flugbegleitern im internationalen Flugverkehr, gilt das Recht desjenigen Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, es sei denn es ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass das Arbeitsverhältnis eine engere Verbindung zur einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist dann das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Eingriffsnormen, Art 9 Rom I-VO
Unabhängig von der getroffenen Rechtswahl bzw. dem anzuwendenden Recht gelten für den entsandten Arbeitnehmer bestimmte Vorschriften des Landes, in das er entsandt wurde, zwingend. Diese sogenannten Eingriffsnormen sind solche Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen werden, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Bei diesen Regelungen handelt es sich zumeist um Regelungen zum Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen (Jugendliche, Behinderte, Schwangere und Mütter).

Beispiele
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Entsendevertrag eines Mitarbeiters, der bei einem deutschen Unternehmen in Deutschland angestellt ist und für sechs Monate nach UK entsandt werden soll, dass deutsches Recht Anwendung finden soll, kommt das Günstigkeitsprinzip schon gar nicht zur Anwendung. Denn hätten die Parteien eine Rechtswahl nicht getroffen, wäre ebenfalls deutsches Recht anwendbar, da die Entsendung nur vorrübergehender Natur ist und der gewöhnliche Arbeitsort Deutschland bleibt. Zu beachten haben die Parteien daher nur die Eingriffsnormen in UK, die zwingend anzuwenden sind.

Haben die Parteien in der gleichen Konstellation im Entsendevertrag hingegen UK- Recht für anwendbar erklärt, so ist bei jeder Arbeitnehmerschutzvorschrift ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Die Vorschrift, die den Mitarbeiter besser stellt, ist schließlich anzuwenden. Darüber hinaus sind auch hier die Eingriffsnormen zwingend zu beachten.

Empfehlung
Es empfiehlt sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor jeder Vereinbarung des anwendbaren Rechtes im Entsendevertrag zu überprüfen, welches Recht Anwendung fände, würde eine Rechtswahl nicht getroffen werden. Um einen Günstigkeitsvergleich von divergierenden Arbeitnehmerschutzvorschriften zu vermeiden, sollte seine Rechtswahl auf das Recht treffen, das Anwendung fände, wäre eine Rechtswahl nicht getroffen worden. Dies wird bei Entsendungen in der Regel das Recht des Heimatlandes sein. Darüber hinaus empfehlen wir, sich vor einer Entsendung mit den Eingriffsnormen der beteiligten Länder vertraut zu machen.

Dr. Laura Krings
Nicola Hösl, LL.M. (UCT)