strengere Regeln bei Entsendungen

Bereits im Juni 2018 haben wir darüber berichtet, dass das EU-Parlament neue Vorschriften gegen Lohndumping bei entsandten Arbeitskräften verabschiedet hat (http://www.globalmobility.legal/eu-parlament-verabschiedet-neue-vorschriften-gegen-lohndumping-da/). Deutschland ist der Verpflichtung zur Umsetzung dieser Vorschriften in nationales Recht durch eine Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) fristgerecht zum 30.07.2020 nachgekommen.

Nicht erfasst von dieser Änderung sind Beschäftigte im Straßenverkehrssektor. Für diese gilt weiterhin die Fassung des AEntG vom 18.07.2017. Für alle anderen nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer müssen künftig grundsätzlich ab einer Beschäftigungsdauer von 12 Monaten die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gelten, wie für dauerhaft in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer. Ausgenommen sind lediglich die Regelungen über den Kündigungsschutz und die betriebliche Altersversorgung.

Zwingend anwendbare Arbeitsbedingungen

Ab dem ersten Tag der Beschäftigung in Deutschland gelten künftig bestimmte in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften enthaltene Arbeitsbedingungen auch für entsandte Arbeitnehmer. Hierzu gehören neben dem gesetzlichen Mindestlohn auch der gesetzliche Mindesturlaub, das Arbeitszeitgesetz (insbesondere die Dokumentationspflichten hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung), Arbeitssicherheitsvorschriften, die Entgeltfortzahlung an Feiertagen, Ansprüche auf Eltern- oder Pflegezeit sowie der Mutter- und Jugendschutz.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Entsandte Arbeitnehmer sollen zudem zukünftig ab dem ersten Tag der Beschäftigung in Deutschland alle Bestandteile der Vergütung erhalten, die ihre deutschen Kollegen in Geld oder als Sachleistung bekommen. Dazu zählen neben der Grundvergütung auch Zulagen und Zuschläge für Mehr- und Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, besondere Erschwernisse oder Schichtarbeit. Außerdem zählen Entsendezulagen, die der entsandte Arbeitnehmer von seinem ausländischen Arbeitgeber für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten erhält, ausdrücklich nicht zum Lohn und können daher nicht auf das Gehalt (und somit auch nicht auf den Mindestlohn) angerechnet werden. Lediglich Zulagen für geleistete Arbeit dürfen in Abzug gebracht werden. Die Beweislast, welche Art von Zulage vorliegt, trifft den ausländischen Arbeitgeber. Falls entsandte Arbeitnehmer innerhalb Deutschlands reisen müssen, haben sie künftig zudem Anspruch auf Erstattung dieser Kosten.

Unterbringung entsandter Arbeitnehmer

Ausländische Arbeitgeber, die ihren entsandten Arbeitnehmern Unterkünfte zur Verfügung stellen (gleich ob unmittelbar oder mittelbar durch Dritte, entgeltlich oder unentgeltlich), müssen künftig alle Anforderungen der deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere der Arbeitsstättenverordnung, erfüllen.

Entsendedauer

Für die Berechnung der 12-monatigen Frist, mit deren Erreichen (beinahe) alle deutschen Lohn- und Arbeitsbedingungen auch für entsandte Arbeitnehmer gelten müssen, werden besonders strenge Maßstäbe angelegt. Um Umgehungsstrategien (z.B. durch den Einsatz verschiedener Arbeitnehmer) zu vermeiden, sieht das Gesetz ein Ablöseverbot vor. Bei gleicher Tätigkeit am gleichen Ort wird die Beschäftigungsdauer von ersetzten und ersetzenden Mitarbeitern zusammengerechnet. In begründeten Ausnahmefällen kann die 12-monatige Frist im Übrigen um sechs Monate auf insgesamt 18 Monate verlängert werden. Hierfür muss eine entsprechende Mitteilung unter Angabe einer Begründung an das zuständige Hauptzollamt erfolgen. Die Bewilligung der Verlängerung erfolgt automatisch mit Zugangsbestätigung der Mitteilung.

Sonderregelung bei Anwendbarkeit von Tarifverträgen

Für entsandte Arbeitnehmer, die in den Geltungsbereich eines bundesweit für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags fallen, gelten die tariflichen Regelungen (insbesondere der Tariflohn) bereits ab dem ersten Tag des Einsatzes in Deutschland. Dies soll künftig auch außerhalb des Baugewerbes gelten. Für alle anderen Arbeitnehmer, die in den Geltungsbereich eines sonstigen allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fallen, gelten neben den sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ab dem 12. bzw. 18. Monat der Beschäftigung in Deutschland sämtliche darin enthaltene Arbeitsbedingungen.

Leiharbeitnehmer

Entsandte Leiharbeitnehmer müssen zu den gleichen Bedingungen beschäftigt werden wie deutsche Leiharbeitnehmer. Zu diesem Zweck werden dem Entleiher bei grenzüberschreitenden Sachverhalten künftig besondere Unterrichtungspflichten gegenüber dem Verleiher auferlegt.

Verantwortlichkeit

Für die Einhaltung der Arbeitsbedingungen ist zunächst der ausländische Arbeitgeber verantwortlich. Allerdings kann aufgrund der Haftungsvorschriften in § 14 AEntG auch der deutsche Auftragnehmer für die Einhaltung dieser Verpflichtung durch seinen ausländischen Vertragspartner in Anspruch genommen werden. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben können mit Geldbußen bis zu EUR 500.000 geahndet werden.

Ausblick

Ob diese Änderungen tatsächlich dazu führen werden, dass es – wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil es formulierte – in ganz Europa „den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort“ geben wird, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon, dass die Neuerungen einen erhöhten bürokratischen Aufwand mit sich bringen, sind die damit verfolgten Ziele, nämlich faire Wettbewerbsregeln und gleiche Lohnvorschriften für alle, im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt höchst erstrebenswert.

Gizem Erdogan
Stefanie Oeschay