COVID-19: Hygienemassnahmen

Die COVID-19-Pandemie stellt Unternehmen nicht zuletzt auch im Hinblick auf anstehende und bereits stattfindende Dienstreisen und Entsendungen vor große Herausforderungen. Im Folgenden möchten wir Ihnen eine Übersicht zu den aktuellen Reisebeschränkungen sowie Fragestellungen in diesem Zusammenhang zur Verfügung stellen, die Arbeitgeber beachten sollten:

Aktuelle Reisebeschränkungen

Das Auswärtige Amt hat wegen der COVID-19 Pandemie eine weltweite Reisewarnung bis mindestens Ende April 2020 ausgesprochen.

Deutschland hat am 17.03.2020 weitreichende Reisebeschränkungen im internationalen Luft- und Seeverkehr vorerst für die Dauer von 30 Tagen angeordnet. Davon ausgenommen sind deutsche Staatsangehörige. Staatsangehörigen von EU-Staaten sowie deren Familienangehörigen und Staatsangehörigen aus Großbritannien, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz sowie deren Familienangehörigen wird die Einreise zum Zwecke der Durchreise in den Heimatstaat gestattet. Gleiches gilt für Drittstaatsangehörige mit längerfristigem Aufenthaltsrecht (Aufenthaltstitel oder längerfristiges Visum) in einem EU-Staat und den zuvor genannten Staaten. Schließlich sind auch Diplomaten, Grenzgänger und Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Personen, die Waren transportieren, von der Einreisebeschränkung ausgeschlossen.

Die Einreisebeschränkungen werden durch die EU-Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien innerhalb des Schengener Raums umgesetzt. An den Binnengrenzen innerhalb der EU werden wieder Grenzkontrollen durchgeführt, zahlreiche kleinere Grenzübergänge zu Österreich und zu Tschechien sind geschlossen.

Reisenden, die keine triftige und dringende Gründe vorweisen können, wird die Einreise verweigert. Bei Anhaltspunkten für eine Erkrankung mit dem COVID-19 Virus im grenzüberschreitenden Verkehr nach Deutschland wird die Bundespolizei unverzüglich die örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden für weitere Maßnahmen hinzuziehen.

Zudem haben sämtliche Länder eine Einreise aus Deutschland untersagt oder unter strenge Auflagen gestellt. Dazu zählen unter anderem die USA, Tschechien, Türkei, Israel, Russland, Indien, Israel, Rumänien und Singapur. Für deutsche Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten und aufgrund Einreiseverbote und -beschränkungen nicht zurückreisen können, unternimmt die Bundesrepublik Deutschland daher aktuell auch weiter Rückholaktionen aus den besonders von Reiseeinschränkungen betroffenen Regionen.

Schließlich sollte auch beachtet werden, dass Änderungen der Einreise- und Quarantänevorschriften teilweise ohne jede Vorankündigung und mit sofortiger Wirkung erfolgen.

Anordnung von Dienstreisen bzw. Entsendungen

Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, den Mitarbeiter auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts gem. § 106 GewO an einen Einsatzort im Ausland zu entsenden. Vielmehr ist hierfür eine einvernehmliche Änderung bzw. Ergänzung des Arbeitsvertrags, sog. Entsendungsvereinbarung, notwendig. Ähnliches gilt für Dienstreisen ins Ausland. Eine Dienstreise ist in der Regel nur durchsetzbar, sofern sich der Arbeitgeber ein entsprechendes Recht vertraglich vorbehalten und der Mitarbeiter sich hierfür bereit erklärt hat. Sofern eine entsprechende Vereinbarung vorliegt, ist der Mitarbeiter per se nicht berechtigt, eine Dienstreise bzw. Entsendung zu verweigern.

Unabhängig davon, ob eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zu Auslands-Dienstreisen vorliegt, können Mitarbeiter aber dennoch nicht uneingeschränkt ins Ausland entsandt werden. Der Arbeitgeber ist gemäß § 106 GewO grundsätzlich dazu verpflichtet, ein ihm zustehendes Weisungsrecht stets nur nach „billigem Ermessen“ auszuüben. Dabei sind die berechtigten Interessen des Mitarbeiters und des Arbeitgebers in Ausgleich zu bringen. In diesem Rahmen ist die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht zu beachten, die den Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter verpflichtet. Vor diesem Hintergrund entspricht eine Anweisung nicht mehr billigem Ermessen, wenn eine gesundheitliche Gefährdung des Mitarbeiters vorliegt oder zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Nach Möglichkeit sollten daher aktuell Entsendungen oder Dienstreisen in Risikoregionen gänzlich vermieden und bspw. durch mobiles Arbeiten, Video- oder Telefonkonferenzen ersetzt werden. Hierzu sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes sowie die entsprechenden Empfehlungen der WHO oder des Robert Koch-Instituts laufend zu überwachen. Auch Mitarbeiter sollten aufgefordert werden, sich hier entsprechend selbst zu informieren.

Nur sofern eine persönliche Anwesenheit des Mitarbeiters zwingend erforderlich ist und die entsprechende Tätigkeit nicht anderweitig verrichtet werden kann, kann eine Dienstreise bzw. Entsendung angemessen sein. Vor dem Hintergrund der aktuellen Reisebeschränkungen und der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wird dies allerdings wohl nur unter hohen Hürden für angemessen erachtet. Schließlich wird der jeweilige Mitarbeiter auch eine Dienstreise bzw. Entsendung in das Ausland und insbesondere in die Risikogebiete aufgrund der erhöhten Gesundheitsrisiken wohl berechtigterweise verweigern dürfen.

Einsatz im Ausland und insbesondere in Risikogebieten

Auch bei einem längeren Einsatz im Ausland oder etwa in einem Risikogebiet besteht die Pflicht des Mitarbeiters zur Arbeitsleistung grundsätzlich fort. Damit steht einem nichterkrankten entsandten Mitarbeiter, der in einem jeweiligen Risikogebiet tätig ist, per se kein Zurückbehaltungsrecht zu, weil sich die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung in diesen Regionen erhöht.

Andererseits besteht auch weiterhin die Pflicht des Arbeitgebers fort, entsprechende Präventionsmaßnahmen zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr wie etwa die Einrichtung flexibler Arbeitszeiten und mobiler Arbeitsplätze (einschließlich der ggf. befristeten Arbeit im Home Office) umzusetzen. Diese Pflicht kann im Rahmen eines Auslandseinsatzes auch vom jeweiligen Unternehmen (in der Regel innerhalb von Konzerngesellschaften), bei dem der jeweilige Mitarbeiter eingesetzt wird, umgesetzt werden. Letzteres gilt insbesondere mit Blick auf die lokal vorgeschriebenen behördlichen Maßnahmen und Hygienevorschriften. Daher kann es aufgrund zwingender lokaler behördlicher Beschränkungen und Verboten vor Ort, wie etwa Ausgangsverboten und/oder -beschränkungen in dem jeweiligen Einsatzstaat, und der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht dringend geboten sein, die jeweiligen Mitarbeiter nicht mehr am Arbeitsplatz am konkreten Einsatzort einzusetzen und möglicherweise mobile Arbeitsplätze anzubieten.
Ist ein Einsatz des Mitarbeiters im ausländischen Home Office-Tätigkeit aufgrund der Eigenart des Arbeitsleistung nicht möglich, so kann sich aber die Frage stellen, ob dieser vorzeitig nach Deutschland zurückzuholen ist. Sollte ein entsprechender Entsendungsvertrag mit einer Rückrufvereinbarung für den Fall außerordentlicher Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, diesen vorübergehend oder mit Wirkung für die Zukunft nach Deutschland zurückzurufen. Allerdings wird dies häufig nur mit einer ausreichenden (unter Umständen vertraglich vereinbarten) Ankündigungsfrist möglich sein. Zudem muss mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen und Einschränkungen bei der Rückreise gerechnet werden, so dass diese Anweisung wohl nicht zeitnah umgesetzt werden kann. Aufgrund bestehender Einreisebeschränkungen innerhalb der EU und der daran anschließenden empfohlenen Quarantäne-Maßnahmen nach einer Einreise aus einem Risikogebiet kann dies auch dazu führen, dass der Mitarbeiter auch bei einer Einreise wohl nicht zeitnah in Deutschland eingesetzt werden kann oder nur im Home Office einsatzfähig ist.

Ob der Arbeitgeber aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht dazu verpflichtet ist, bereits im Ausland tätige Mitarbeiter zurückzuholen oder in ein sicheres anderes Land bringen zu lassen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Bestehen Ein- und Ausreisemöglichkeiten, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den Mitarbeiter bei seiner Ausreise zu unterstützen, sofern er das Land aufgrund erhöhter Infektionsrisiken und Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bzw. Robert Koch Instituts verlassen möchte. Der Mitarbeiter kann daher die erforderlichen Rückreisekosten vom Arbeitgeber als Aufwendungskosten geltend machen.

Allerdings muss hier ebenfalls beachtet werden, ob und inwieweit die einzelnen Mitarbeiter aus dem betreffenden Einsatzland überhaupt ausreisen können bzw. dürfen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Reisewarnung des Auswärtigen Amtes kann kein Land derzeit als sicher eingestuft werden. Schließlich ist auch zu beachten, dass auch Deutschland derzeit als Risikogebiet gilt.

Daher kann alternativ in Betracht gezogen werden, Sicherheits- und Schutzmaßnahmen zur Vermeidung einer Infektionsgefahr vor Ort einzuleiten, wie bereits oben beschrieben.

Home Office bei Entsendungen

Die Anordnung von Arbeiten aus dem Home Office ist vom Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht gedeckt, soweit keine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag bzw. Entsendungsvertrag enthalten ist. Hier gilt grundsätzlich nichts anderes als bei einem Einsatz des Mitarbeiters im Inland.

Besteht keine Home Office-Regelung und möchte der Arbeitgeber aber nicht, dass der Mitarbeiter am ausländischen Arbeitsplatz erscheint, gilt folgendes:

Die Anordnung von Homeoffice fällt grundsätzlich nicht unter das Direktionsrechtes gemäß § 106 GewO. Der Mitarbeiter kann aber, z.B. bei Verdacht einer Infektion, vorübergehend die Tätigkeit aus dem Home Office verlangen, wenn die Tätigkeit aus dem Home Office möglich ist. Weiter gehen wir davon aus, dass der Mitarbeiter insoweit auch einer Schadenabwendungspflicht unterliegt, so dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedenfalls vorübergehend anweisen kann, die Arbeitsleistung von einem anderen Arbeitsort zu erbringen, soweit dies zur Abwehr konkreter Gefahren erforderlich und geeignet ist und ansonsten die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind. Hier sollte die Grenze von 4 Wochen entsprechend beachtet werden bei der Frage, ob eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gemäß § 99 BetrVG vorliegt.

Alternativ kann man den Mitarbeiter unter Entgeltfortzahlung einseitig bezahlt freistellen.

Möchte der Mitarbeiter aus Angst vor einer Infektion nicht zur Arbeit erscheinen: Verweigert ein Mitarbeiter aus Angst vor einer Ansteckung die Arbeit, obwohl kein Verdacht auf eine Infektion besteht, stellt dies eine Arbeitsverweigerung dar. Dann darf er grundsätzlich abgemahnt und im Wiederholungsfall verhaltensbedingt gekündigt werden.

Besser wäre es jedoch, im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter eine Lösung zu finden. Auch hier könnte man, wenn möglich, vorübergehend die Tätigkeit aus dem Home Office verrichten. Der Mitarbeiter könnte auf Resturlaub hingewiesen oder auch unbezahlt freigestellt werden.

Vergütungsansprüche

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitgeber als Träger des unternehmerischen Betriebsrisikos im Falle von Arbeitsausfällen aufgrund des Corona-Virus zur Entgeltzahlung verpflichtet bleiben.

Hiervon kann der Arbeitgeber aber in folgenden Fällen befreit sein:

− Mitarbeiter verweigert Arbeitsleistung in unberechtigter Weise
− Behördliche Anordnung von Quarantäne
− Anordnung von Kurzarbeit
− Mitarbeiter erkrankt für längere Zeit als sechs Wochen.

Auf unserer Seite Eversheds Sutherland finden Sie aktuelle Informationen zu weiteren rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang. Für Informationen zur Rechtslage in anderen Jurisdiktionen besuchen Sie gerne unseren globalen Coronavirus Legal Hub oder folgen Sie uns auf Twitter unter @ESGlobalLaw.

Gizem Erdogan